Interview

Lilian Moschen über Oscars & Frauen in Hollywood

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Als Kulturjournalistin und Moderatorin begleitete Lilian Moschen das ORF-Publikum durch die Oscar-Nacht. Das Interview über die Preisverleihung und Frauen in Hollywood. 

Während die meisten geschlafen haben, stand Lilian Moschen im Studio und präsentierte die Oscars live im ORF und versorgte die Zuseher:innen mit Hintergrundwissen. Wenn sie gefragt wird, wann sie beginnt, sich auf die Show vorzubereiten, antwortet die Journalistin und Moderatorin: „Das ganze Jahr.“ Denn laufend starten neue Filme im Kino, die sie mit großem Interesse anschaut. Bei wem sie Chancen für eine Nominierung sieht, behält die 42-Jährige dann schon mal im Hinterkopf. Einer der Filme, bei denen sie im vergangenen Jahr sofort Oscar-Potenzial erkannt hat, war „Anora“ – und sie hatte recht: Die Komödie wurde als bester Film ausgezeichnet, Schauspielerin Mikey Madison ging mit dem Oscar als beste Hauptdarstellerin nach Hause.

Mitfiebern

Wer sich so intensiv mit den Filmen und Stars beschäftigt, fiebert auch mit. Demi Moores Enttäuschung über den geplatzten Oscar-Traum kann Lilian Moschen gut verstehen. Aber, wer weiß, vielleicht bekommt die Schauspielerin ja noch eine Chance. Denn in den letzten Jahren hat sich in Hollywood vieles verändert und auch für ältere Schauspielerinnen gibt es immer mehr spannende Rollen. Im MADONNA-Interview spricht Moschen über die Oscar-Nacht, Frauen in Hollywood und den Weltfrauentag.

Wie lange hat die Oscar-Nacht bei Ihnen gedauert?
Lilian Moschen:
Es war doch ein bisschen länger. Wir waren so um 5 Uhr früh fertig. Dann hatte ich noch „Guten Morgen Österreich.“ bis 6 Uhr. Gegen 8 Uhr war ich zu Hause.

Haben Sie dann Schlaf nachgeholt?
Moschen:
Ich konnte nicht gleich schlafen. Conan O‘Brien hat in der Show gesagt, alle, die jetzt weiterschauen wollen, haben das Stockholm-Syndrom. Ich habe das Gefühl, mir ging es genauso, weil ich dann noch geschaut habe, was auf den After-Show-Partys in Amerika los war oder in den Werbepausen geschehen ist. Ich habe zum Beispiel gesehen, dass Colman Domingo auf der Bühne getanzt hat. Das bekommen wir natürlich nicht mit, wenn wir on air sind. Das musste ich mir alles anschauen. Ich kann einfach nicht abschalten, ich muss immer wissen, was sich noch getan hat. Wer mit wem und gab es irgendwelche Eskalationen oder Streitereien?

Das lässt einen nicht mehr los.
Moschen:
Ja, das stimmt. Eigentlich die ganze Zeit, rund um die Uhr. Die Leute fragen mich immer, wann ich anfange, mich vorzubereiten. Das ganze Jahr – es hört ja nicht auf. Die Filme kommen heraus, die News aus Hollywood. Man muss die ganze Zeit am Ball bleiben.

Könnte man sagen, Sie bereiten sich ständig auf die nächsten Oscars vor? 

Moschen:
Genau so ist es – oder sogar ein Leben lang. Ich finde, das ist auch das Spannende, wenn man bei den Festivals Filme sieht und sich denkt, „Ah, ich glaube...“ So ging es mir, als ich „Anora“ gesehen habe, das auch den besten Schnitt gewonnen hat. Es war historisch, dass Sean Baker persönlich vier Oscars bekommen hat: Drehbuch, Schnitt, Regie und bester Film, weil er ihn auch produziert hat. Das hat nicht einmal Francis Ford Coppola geschafft. Ich habe den im Kino gesehen und gesagt, der muss Oscar-nominiert werden.

Wie hoch ist Ihre Trefferquote bei den Oscar-Vorhersagen?
Moschen:
Heuer ziemlich gut, muss ich sagen. Bis auf kleine Kategorien. Beim Sound hätte ich gedacht, dass „A Complete Unknown“, der Bob Dylan-Film, gewinnt. Der hat ihn nicht bekommen.

Wie lange sind Sie in so einer Nacht on air?
Moschen:
Das ist von Jahr zu Jahr unterschiedlich. Aber ich würde sagen, wir sind schon zwischen vier und fünf Stunden on air.

Sie müssen auch die ganze Zeit hochkonzentriert sein.
Moschen:
Genau das ist es. Das Schwierigste dabei sind diese Klopausen, weil man trotzdem hydriert bleiben und trinken muss. Die Academy hatte heuer schon angekündigt, dass es nicht so viele musikalische Performances gibt. Normalerweise schaut man bei denen kurz hin und weiß, worum es geht und rennt schnell aufs Klo. Wie man diese Konzentration so lange hält, ist eine gute Frage. Das Adrenalin ist natürlich da. Ich glaube, es kommt auch daher, dass man sich wirklich dafür interessiert.

Was ist Ihr Resümee der heurigen Oscars?
Moschen:
Man merkt, dass gerade viel Trauma verarbeitet wird. Der Host Conan O‘Brien wohnt seit den Feuern immer noch im Hotel. Sein Haus steht zwar, aber man kann nicht hinein. Ich finde, das hat man gespürt. Es war eine zurückhaltende Show. O‘Brien ist für seinen albernen Humor bekannt, der war an gewissen Stellen auch da. Ich finde das sehr angenehm. Es muss nicht immer alles super intellektuell sein. Dass er herumgeblödelt hat, hat gutgetan. Ansonsten war es das Jahr der großen Independent Filme. Das hat mit dem Autorenstreik zu tun. Die großen Studios durften nicht arbeiten. Aber die Union hat gesagt, die kleinen Studios dürfen drehen, damit die über die Runden kommen. „Anora“ hat sechs Millionen Dollar gekostet. Für amerikanische Verhältnisse ist das gar nichts.

Welche besonderen Momente gab es für Sie?
Moschen:
Ich finde die „In Memoriam“-Strecke jedes Mal sehr berührend. Wir haben 2024 wirkliche Größen verloren. David Lynch und Gene Hackman noch einmal zu sehen, auch die sehr persönliche Rede, die Morgan Freeman davor gehalten hat, hat mich sehr berührt. Die Feuerwehrmänner von L.A. waren auf der Bühne und Conan O‘Brien ließ sie Gags vom Teleprompter vorlesen. Das war sehr süß. Man wollte sie ehren, das aber unterhaltsam machen und das ist gut gelungen. Noch ein Moment, der bei vielen hängengeblieben ist, war, als  Demi Moore  verloren hat. Da bricht einem das Herz. Sie hat das sportlich genommen, aber man hat es ihr doch angemerkt. Wir waren auch überrascht. Es hat zwar die ganze Award-Season mal Mikey Madison gewonnen, dann wieder Moore. Aber es war so eine schöne Comeback-Story. Das tut mir richtig leid. Weil wer weiß... Andererseits, jetzt, wo man sieht, dass sie Lust hat zu arbeiten und zu experimentieren – vielleicht kommen noch gute Rollen.

Das kann man schon gut nachvollziehen, weil es wahrscheinlich nicht mehr viele solche Gelegenheiten für Demi geben wird.
Moschen
: Vielleicht ändert sich das aber noch. In den vergangenen Jahren bekommen ältere Schauspielerinnen schon auch Rollen in Filmen, die nicht nur für ein älteres Publikum gemacht werden. „Everything Everywhere All at Once“ letztes Jahr war toll. Michelle Yeoh war auch schon über 60 und die junge Generation hat die abgefeiert. Auch Nicole Kidman mit „Babygirl“ und Pamela Anderson in „The Last Showgirl“. Diese Female Driven Storys ziehen und werden mehr produziert. Vielleicht jetzt erst recht!

Man sieht in den letzten Jahren, dass ältere Frauen im Film nicht mehr nur im Hintergrund stehen.
Moschen:
Gott sei Dank hat ein Umdenken stattgefunden. Aber auch, weil sie gemerkt haben, die Leute wollen nicht immer dieselben Klischees von der Frau, die zu Hause sitzt und ab 30 Mama ist, sehen.

Man sieht den Wandel auf der Leinwand. Wie sieht es hinter der Kamera aus? Mir ist aufgefallen, dass nur eine Regisseurin nominiert war. Das ist ein trauriger Schnitt.
Moschen:
Das stimmt. Das finde ich auch. Es wird besser. Eine Entwicklung der vergangenen Jahre, die ich toll finde, ist, dass große Stars, große Namen – ob weiblich oder männlich –, darauf achten. Mit fällt da Nicole Kidman ein, die vor ein paar Jahren gesagt hat, sie möchte jetzt vor allem mit Frauen arbeiten. Ich glaube, nur so funktioniert es. Es hat sich etwas getan. Ich finde, noch immer nicht genug. Was mich sehr ärgert ist: Die großen Blockbuster sind immer noch in Männerhand. Wenn eine Frau hinter der Kamera ist, ist es eher ein Indiefilm. Ich glaube, heuer war auch keine Kamerafrau nominiert. Das gehört mehr gefördert. Die großen Studios, die wirklich viel Budget haben, müssen sagen: „Wir engagieren jetzt eine Kamerafrau.“ Sie kennt sich natürlich genauso gut aus. Da war Greta Gerwig eine wichtige Figur, weil sie mit ihrem Barbie-Film gezeigt hat, auch eine Frau kann ein Riesenprojekt in die Hand nehmen und ordentlich Geld damit machen.

Um das wirklich zu ändern, müssen Frauen zusammenarbeiten und wie Nicole Kidman sagen: „Ich arbeite mit Frauen.“
Moschen:
Absolut. Das System muss da sein, das ist klar. Aber, wenn man eine Frau in einer Machtposition ist oder ein gewisses Standing hat, hat man ja die Macht, ein bisschen Druck zu machen und zu sagen: „Mir gefällt das Drehbuch, aber ich hätte gerne eine Frau.“ Ich glaube, es tut sich etwas.

Jetzt ist wieder Weltfrauentag. Wie wichtig ist dieser Tag?
Moschen:
Mir wäre am liebsten, wenn er gar nicht wichtig wäre. Natürlich ist er wichtig. Ich frage mich nur, wie man ihn nutzen kann. Wie man ihn in Debatten angeht. Ich bin immer wieder bei 3sat und wir überlegen auch: Was könnten wir machen? Vor allem, damit die Leute zuhören. Er ist natürlich wichtig. Genau aus den Gründen, die wir gerade besprochen haben. Weil noch so viel getan werden muss.

Haben Sie manchmal mit Ungerechtigkeiten zu kämpfen?
Moschen:
Ich glaube, als Frau hat man prinzipiell immer mit Ungerechtigkeiten zu kämpfen. Wir sind es einfach gewohnt, dass man schnell lernen muss, sich durchzusetzen. Dass man als Frau schneller unterschätzt wird oder nicht wirklich ernst genommen wird.

Sind wir Frauen immer noch zu leise?

Moschen: Ja, wir sind zu leise und vor allem wir machen uns so einen Kopf. Wir zerdenken so viel, was einerseits sehr positiv ist. Es ist doch egal, was der oder die sagen wird, wenn man das und das macht. Ein Mann wird sich nie so viele Gedanken machen. Vielleicht hat das auch was damit zu tun, leise zu sein. Aber ich glaube, es ist eher, sich zu trauen und nicht immer zu denken: „Was sagen die anderen? Ich möchte nicht als Diva oder die Schwierige dastehen“. Das ist vollkommen egal.

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