Über „Die Magie des Flows“ schreibt Ex-Skifahrerin und Sängerin Lizz Görgl in ihrem Buch und schildert einen Zustand totaler Entfaltung. Was dahintersteckt, erklärt sie im Interview.
Bei der Ski-WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen schrieb Lizz Görgl (44) Geschichte und fuhr als Doppelweltmeisterin nach Hause. Für diesen Erfolg hat sie Jahrzehnte hart gearbeitet, sich perfekt vorbereitet und ist in die „optimale Präsenz gekommen“, schildert sie im MADONNA-Interview. Die Steirerin erreichte den Zustand des Flows, bei dem sie sich selbst von außen zuschauen konnte.
Wissenschaftlich erklärt
Was hinter dem Flow steckt, erklären Lizz Görgl und der Mental Coach Michael von Kunhardt gemeinsam in ihrem neuen Buch „Die Magie des Flows“. Die beiden ehemaligen Sport-Profis erzählen von ihren eigenen Erfahrungen und gehen dem Zustand des Flows, der uns über uns selbst hinauswachsen lässt, in Interviews mit Wissenschafter:innen und Expert:innen auf den Grund. Gespräche mit anderen Top-Performer:innen wie Renate Götschl, Maria Höfl-Riesch und Tina Maze geben Einblicke in ihre Denk- und Lebenswelt. In MADONNA verrät Lizz Görgl, was uns beim Erreichen des Flows im Weg steht und warum sie in diesem Buch ihr Inneres geteilt hat.
Der renommierte deutsche Speaker und Mental-Coachkollege (selbst auch ehemaliger Bundesligahockeyspieler) Michael von Kunhardt, und Sie schreiben über die Magie des Flows. Wie könnten Sie diesen Zustand beschreiben?
Lizz Görgl: Der Wissenschafter Mihály Csíkszentmihályi, der Begründer des Flows, der sich schon vor Jahrzehnten mit dem Thema beschäftigt hat, spricht vom Flow-Kanal: Es ist der Zustand der maximalen Selbstwirksamkeit während einer Tätigkeit. Du gehst in der Tätigkeit auf, Zeit und Raum verschmelzen, es ist mühelos, du brauchst keine Energie, es gibt keinen Widerstand, alles fließt von selbst. Es ist ein Zustand der totalen Entfaltung des Potenzials, ein magischer Zustand.
Welches Bild haben Sie vor sich, wenn Sie an einen Moment des Flows denken?
Görgl: Im Buch beschreibe ich das ganz am Anfang. Das war, als ich Doppelweltmeisterin wurde und mir von außen zugeschaut habe. Es war ein Zustand der totalen Entfaltung. Ich wurde gefahren, wie eine Marionette.
Was steht uns im Weg, um in den Flow zu kommen?
Görgl: Kinder sind von Haus aus im Flow, wenn ihre Grundbedürfnisse gestillt sind und man sie lässt. Das ist ein natürlicher Zustand. Sie sind noch nicht in der Kompetenz, sondern vor allem in der Präsenz. Bei dem Flow, den ich in Garmisch beschreibe, bin ich auch in die totale Präsenz gekommen. In meiner Umsetzung bei der WM habe ich aber High Performance gebraucht. Ich habe Jahrzehnte trainiert, um diese Perfektion auf den Punkt zu bringen. Es ist faszinierend, was alles im Körper und Gehirn abgespeichert ist und welche hinderlichen Faktoren es gibt. Unsere Conclusio und damit meine ich die Summe aller Wissenschafter, (Ex)kolleg:innen und Menschen aus unserem Umfeld, die wir interviewt haben, war, dass die Gedanken das Problem sind, die uns immer wieder aus dem Flow holen. Kinder sind oft gedankenlos in der Präsenz. Ich glaube, das ist der Schlüssel.
In welchen Phasen Ihres Lebens waren Sie am wenigsten im Flow?
Görgl: Immer, wenn ich mich verloren habe, wenn ich mein Innerstes verloren habe. Wenn ich den Kontakt zu mir verloren habe, wenn ich mich zu sehr von außen diktieren ließ und Konventionen oder Erwartungen entsprechen wollte, war ich nicht im Flow.
Was sollen die Leser:innen am Ende des Buches denken oder fühlen?
Görgl: Ich wünsche mir, dass sie berührt sind. Dass wir sie im tiefsten Inneren erreichen und vielleicht an etwas erinnern, was über das Ego hinausgeht. Das war der Grund für mich, dieses Buch zu schreiben. Ich habe mein tiefstes Inneres geteilt. Das passiert nicht oft. Ich konnte aber nicht anders. Ich denke über die Zukunft nach. Deswegen ist auch Valerie Huber im Abschlusskapitel dabei. Wie wünschen wir uns als Gesellschaft die Zukunft? Wie glauben wir, die Welt doch noch retten zu können? Valerie hat auch ein Buch geschrieben und sie beschäftigen ähnliche Fragen. Ich wünsche mir, dass wir es schaffen als Menschen, mit allen Dingen, die uns verbinden und die wir im System Mensch, im System Gesellschaft eigentlich angelegt haben, wieder mehr zu uns finden und daraus schöpfen. Dann haben wir einen geerdeten Zugang zum Leben und zum Gegenüber. So können wir es schaffen, für unsere Kinder und Kindeskinder. Das ist unser Job.
Denken Sie, wir sind in dieser lauten und schnellen Welt, in der wir heute leben, zu abgelenkt?
Görgl: Mit Sicherheit. Deshalb erzähle ich auch meine irrsinnige Geschichte am Anfang. Das war der Schlüssel – ins Nichts zu gehen und in die totale Tiefe in mir. Ich habe gesehen, was möglich ist. Das kann jeder in seinem Bereich. Mir ist bewusst, dass nicht jeder Mensch über diese Dinge nachdenkt. Dass viele Menschen Angst haben oder keinen Zugang zu Themen wie Persönlichkeitsentwicklung und dem Sinn des Lebens haben. Aber jeder Mensch hat Bedürfnisse und das versuchen wir mit der Bewusstseinsebene von Hawkins zu platzieren.
Sie haben in diesem Buch Ihr Innerstes geöffnet. Ist Ihnen das schwergefallen?
Görgl: Nein, gar nicht. Ich konnte nicht anders. Mir war wichtig, dass ich meine Teile des Buches selber schreibe. Das kann kein anderer Mensch, kein Ghostwriter so auf den Punkt bringen. Natürlich hatte ich ein großartiges Lektorat. Das muss man an dieser Stelle ganz klar sagen. Das gehört auch dazu. Es muss alles Hand und Fuß haben. Wir haben es aber geschafft, dass wir genau bei dem sind, was ich sagen will.
Sie haben die Ausbildung zum systematischen Coach gemacht. Wie kam das?
Görgl: Ich habe vor Jahren eine Potenzialanalyse gemacht. Das war noch während meiner Sportkarriere. Dabei kam heraus, ich wäre gut in der Psychologie oder Philosophie oder Physiotherapie aufgehoben. Ich arbeite seit 20 Jahren mit einem Persönlichkeits-Coach und denke immer schon über das Leben nach. Ich hatte schon die Ausbildung zum Konditionstrainer gemacht und hatte den Wunsch, noch etwas zu studieren. Dieser Kurs war ausgeschrieben und hat genau gepasst. Für persönliches Wachstum ist das Hinterfragen und in die Analyse gehen, sehr hilfreich.
Was steht bei Ihnen als Nächstes an?
Görgl: Ich werde meine Masterarbeit zum Thema des Buchs fertigmachen. Und, ganz wichtig, neue Songs: Ich habe schon einige in petto, die aber noch nicht fertig produziert sind. Damit möchte ich im Februar raus.