Resilienz-Guide

Stark durch Krisen und Trauer: So gelingt's

Krisen gehören zum Leben – doch manche Menschen gehen gestärkt aus ihnen hervor. Sie verfügen über Strategien, mit denen sie Rückschläge in Chancen verwandeln und Resilienz wie einen Muskel trainieren. 

In einer Welt, die von ständigen Veränderungen und Herausforderungen geprägt ist, ist es nicht selten, dass uns das Leben aus der Bahn wirft. Ob persönliche Rückschläge, berufliche Enttäuschungen oder unvorhergesehene Krisen – jeder Mensch steht irgendwann vor der Aufgabe, mit Belastungen umzugehen. Doch warum gelingt es einigen, nach einem Fall wieder aufzustehen und sogar gestärkt weiterzugehen?

Resilienz kann man lernen: Vertrauen in sich selbst ist wichtig.

Resilienz kann man lernen: Vertrauen in sich selbst ist wichtig.

© Getty Images

Die Kunst der Resilienz  

Der Schlüssel dazu liegt in einer erstaunlichen Fähigkeit, die uns nicht nur das Überleben sichert, sondern auch die Chance bietet, stärker und bewusster zu werden – es ist die Kunst der Resilienz oder psychischen Widerstandskraft. „Einen Arbeitsplatz zu verlieren, ist tragisch, ein Beziehungsende ist traurig und wenn ein Mensch verstirbt, ist es sehr schmerzhaft. Doch in allem, was in unserem Leben passiert, steckt immer auch eine Chance“, erklärt die Psychologin und Resilienz-Trainerin Sabine Lahme. In ihrem Buch „Mit Resilienz Krisen überwinden“ beschreibt sie, wie Menschen lernen können, Rückschläge nicht als Endpunkte, sondern als Wendepunkte zu begreifen. Resiliente Menschen, so Lahme, haben verstanden, dass sie selbst Einfluss darauf nehmen können, wie sie mit Herausforderungen umgehen. Sie erkennen, was sich ändern lässt und was nicht – und handeln entsprechend, anstatt sich von äußeren Umständen dauerhaft überrollen zu lassen.  

"Mit Resilienz Krisen überwinden" von Sabine Lahme, MVG, 18 Euro 

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Die sieben Säulen 

Die Psychologin versteht Resilienz nicht als angeborene Eigenschaft, sondern als etwas, das sich trainieren lässt – ähnlich wie Muskelaufbau. Resilienz entsteht nicht über Nacht, sondern wächst durch bewuse Übung, Selbstreflexion und Wiederholung. In ihren „7 Säulen der Resilienz“ zeigt Sabine Lahme auf, welche Haltungen dafür wichtig sind: Akzeptanz, Optimismus, Lösungsorientierung, das Verlassen der Opferrolle, Verantwortung, Netzwerkorientierung und Zukunftsplanung. Diese Mechanismen wirken miteinander und verstärken sich gegenseitig, sodass ein stabiler innerer Rahmen entsteht, der Rückschläge abfedern kann. 

Akzeptanz. Wer Krisen als Teil seines Lebens akzeptiert, statt sie zu verdrängen, legt den Grundstein für Stabilität. Optimismus bedeutet nicht, alles schönzureden, sondern an die Möglichkeit einer Lösung zu glauben und die eigenen Ressourcen bewusst zu nutzen. Und wer Verantwortung übernimmt, löst sich aus der Ohnmacht und erkennt, dass er Handlungsoptionen hat, auch wenn sie zunächst klein erscheinen. Resilienz zu erwerben ist Training der seelischen Muskulatur, die sich durch regelmäßige Achtsamkeit, Selbstreflexion und bewusste Entscheidungen stärken lässt.

Verlustangst. Doch was, wenn Angst diese innere Stärke blockiert? Burnout-Expertin Silke Raab-Brock beobachtet in ihrer Arbeit immer wieder, dass viele Menschen heute mit einem Gefühl latenter Unsicherheit leben. „Ob Angst vor dem Jobverlust, der Trennung vom Partner oder den täglichen Schlagzeilen über Krieg, Inflation und Krisen – viele Menschen leben mit dem diffusen Gefühl von Unsicherheit“, sagt sie. Diese Angst sei kein Zeichen von Schwäche, sondern ein Ausdruck tief verwurzelter Schutzmechanismen. Raab-Brock erklärt, dass Verlustangst zu den stärksten Emotionen des Menschen gehört. Sie aktiviert unser inneres Alarmsystem, das ursprünglich lebensrettend war – heute jedoch oft bei abstrakten Sorgen anspringt. Der Körper reagiert wie auf eine reale Bedrohung: mit Anspannung, Herzklopfen, Schlaflosigkeit und innerer Unruhe. Besonders in ungewissen Zeiten steige das Bedürfnis, Kontrolle zu behalten. „Doch paradoxerweise führt genau dieser Versuch, alles im Griff zu haben, oft in die Überforderung. Kontrolle gibt Sicherheit – aber nur scheinbar“, so die Burnout-Expertin.

Innere Sicherheit. Silke Raab-Brock rät, Verlustangst nicht zu verdrängen, sondern bewusst wahrzunehmen, um sie verändern zu können. „Sicherheit entsteht nicht durch Kontrolle, sondern durch Vertrauen – in sich selbst, in den eigenen Weg und in die Fähigkeit, auch Unvorhergesehenes zu bewältigen.“ Damit schlägt die Expertin eine Brücke zur Resilienz: Die Fähigkeit, Unsicherheit auszuhalten, ohne die innere Stabilität zu verlieren. Schon bewusstes Atmen oder Spaziergänge in der Natur helfen, die Balance zurückzugewinnen, wenn die Welt rundum ins Schleudern gerät. „Sicherheit entsteht nicht dadurch, dass alles bleibt, wie es ist, sondern durch die Gewissheit, dass wir mit dem was kommt, umgehen und es in Chancen für uns transformieren können.“ 

"Resilienz - Seelische Widerstandskräfte stärken", Patmos Verlag, 20 Euro  

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"Der Weg zu Resilienz führt über die Verbindung von Herz und Verstand"

Zeit der Extreme. Auch der bekannte Wissenschaftler und Bestsellerautor Gregg Braden betrachtet Resilienz als weit mehr als die bloße Rückkehr zur Normalität. Er unterscheidet zwischen einer traditionellen Sicht – nach einer Krise einfach wieder „funktionieren“ – und einer erweiterten Sicht: nicht nur überleben, sondern gedeihen trotz extremer Umstände. Braden beschreibt unsere Gegenwart als eine „Zeit der Extreme“, in der viele Veränderungen gleichzeitig auf uns einwirken. Wir können uns nicht länger darauf verlassen, dass alles bleibt, wie es war – Resilienz bedeutet für ihn daher keine passive Anpassung, sondern einen bewussten Gestaltungsprozess.

Herz & Verstand. Der Weg zu Resilienz führt für Braden über die Verbindung von Herz und Verstand. Durch achtsames Atmen, Fokussierung auf das Herz und das Erzeugen positiver Gefühle wie Dankbarkeit oder Mitgefühl entsteht eine sogenannte Herz-Gehirn-Kohärenz, die uns ruhiger, klarer und intuitiver handeln lässt. Wie Psychologin Sabine Lahme rät er dazu, die innere Haltung zu verändern: Wer sich nicht länger als ein Opfer der Umstände sieht, sondern als aktiver Mitgestalter, gewinnt Selbstwirksamkeit und innere Stärke zurück. Gregg Braden betont außerdem den Wert von Gemeinschaft und Kooperation. Resilienz entsteht durch gegenseitige Unterstützung, Vertrauen und gemeinsames Handeln. Ebenso wichtig seien Lebenssinn und Vision: Wer weiß, wofür er steht und wohin er will, findet selbst in unsicheren Zeiten Orientierung und Hoffnung. Seine Botschaft: Wir können die Extreme unserer Zeit nicht verhindern – aber wir können lernen, in ihnen zu wachsen.

"Resilienz im modernen Leben", Tina Wagenknecht, Remote Verlag, 24,50 Euro 

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Resilienz bedeutet nicht, unerschütterlich zu sein

Schritte. In der Praxis kann Resilienztraining ganz unterschiedlich aussehen. Sabine Lahme empfiehlt Übungen, die Achtsamkeit, Selbstwahrnehmung und Perspektivwechsel fördern – etwa durch bewusste Reflexion, Dankbarkeitstagebücher oder Gespräche mit vertrauten Menschen. Silke Raab-Brock verweist auf einfache körperliche Methoden, um Angst zu regulieren: „Tiefe, bewusste Atmung signalisiert dem Körper: Ich bin sicher. Schon wenige Minuten bewusster Atempausen können das Stressniveau messbar senken.“ Dann ist es auch leichter, trotz Krise handlungsfähig zu bleiben. Gregg Braden schließlich ergänzt das Konzept um eine übergeordnete Dimension: den Sinn. Menschen, die eine klare Vision für ihr Leben haben, können Veränderungen besser einordnen. Diese Haltung – das Vertrauen in den eigenen Weg – ist die Essenz aller Ratgeber zu diesem Thema. Resilienz ist nicht nur eine kurzfristige Bewältigungsstrategie, sondern eine aktive Lebenshaltung. Ob Angst, Kontrollverlust oder Krisenerfahrung: Resilienz bedeutet nicht, unerschütterlich zu sein. Es geht darum, den Kontakt zu sich selbst nicht zu verlieren, auch wenn im Außen alles wankt. Wer lernt, Verantwortung zu übernehmen und Vertrauen aufzubauen, findet eine Form von Sicherheit, die nicht von äußeren Umständen abhängt.

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