Die dritte Ausgabe des Zalando Visionary Award krönte in diesem Jahr die nigerianische Designerin Bubu Ogisi und ihre Brand IAMISIGO zur Gewinnerin. Jury-Mitglied Edward Buchanan erklärt im Interview was außergewöhnliche Nachwuchstalente wie sie ausmacht.
Handgewebte Stoffe aus Tansania, glänzende Glaselemente aus Kenia, recycelte Kunststoffe aus Nigeria – wenn Bubu Ogisi Mode entwirft, entstehen daraus Geschichten über Herkunft, Handwerk und Identität. Mit ihrer Brand IAMISIGO gewann die nigerianische Designerin in diesem Jahr den Zalando Visionary Award und feierte vergangene Woche ein spektakuläres Debüt auf der Copenhagen Fashion Week.
Ihre Frühjahr/Sommer-2026-Kollektion „Dual Mandate“ war ein multisensorisches Erlebnis, inspiriert von den vier spirituellen Dimensionen Körper, Geist, Seele und Emotion. Erdende Materialien wie Baumwolle aus Uganda und Kenia, Sisal aus Tansania, Raffiabast und Jute aus Nigeria kombinierte Ogisi mit strahlenden Akzenten aus Metall, Glas und recyceltem Kunststoff. Das Ergebnis: aufwendig handgefertigte Stücke, die tief in afrikanischen Traditionen verwurzelt sind und dennoch globale Relevanz besitzen.
Die nigerianische Marke IAMISIGO, die im Januar für ihren unverwechselbaren Stil und ihr Engagement für ethische Materialgewinnung sowie Förderung lokaler Communitys ausgewählt wurde, präsentierte mit ihrer SS26-Modenschau „Dual Mandate“ ihr Debüt auf der Copenhagen Fashion Week.
Doch wer entscheidet eigentlich, welche Designer:innen den renommierten Preis gewinnen? Einer, der diese Wahl maßgeblich mitprägt, ist Edward Buchanan. Der ehemalige Design-Direktor von Bottega Veneta lebt heute in Mailand, arbeitet als Creative Director, Berater und Fashion Editor – und ist Jurymitglied des Zalando Visionary Award. Im Interview spricht er darüber, warum Innovation immer Emotionen wecken muss, was IAMISIGO so einzigartig macht und welche Ratschläge er der nächsten Designgeneration gibt.
Mit über 30 Jahren Erfahrung in der Modebranche hat Edward Buchanan schon viel gesehen – und noch mehr gefördert. Als Jurymitglied des Zalando Visionary Award sucht er gezielt nach Talenten, die mehr tun, als nur schöne Kleidung zu entwerfen.
Sie sind als Jurymitglied ein zentraler Teil des Zalando Visionary Awards. Was hat Sie dazu bewegt, Teil dieses Auswahlprozesses zu werden?
Edward Buchanan: Da ich regelmäßig bei Wettbewerben in der Jury sitze und viel mit jungen Talenten arbeite, war die Verbindung zum Zalando Visionary Award naheliegend. Was diesen Award besonders macht: Er basiert nicht nur auf dem Talent einer Designerin, sondern auf drei klar definierten Säulen – Kreativität, Innovation und sozialer Impact. Diese Kriterien müssen gleichermaßen erfüllt werden, und genau das macht den Auswahlprozess so spannend wie anspruchsvoll.
Was bedeuten diese drei Werte für Sie persönlich in Ihrer Arbeit?
Buchanan: Innovation beginnt für mich mit Ehrlichkeit. Viele gestalten, um Erwartungen zu erfüllen – doch wirklich bewegende Mode entsteht, wenn man von innen herausarbeitet. Bubu Ogisi ist ein Paradebeispiel dafür: Sie entwirft aus einem afrikanischen Kontext heraus, verwendet lokale Materialien, arbeitet eng mit lokalen Handwerker:innen zusammen – und lebt Nachhaltigkeit nicht als Trend, sondern als Selbstverständlichkeit. Als wir ihre Arbeit zum ersten Mal sahen, war sofort Emotion da. Neugier. Erstaunen. Vielleicht auch Irritation. Das ist für mich Innovation: wenn Design eine echte Reaktion auslöst.
Gab es einen Moment, in dem klar war: Sie ist die Gewinnerin?
Buchanan: Ja, eigentlich von Beginn an. Sie tauchte in allen Auswahlrunden ganz oben auf. Beeindruckt hat uns vor allem, dass sie keine klassische Kollektion im herkömmlichen Sinne zeigte, keine stringente Look-Reihe, kein standardisiertes Format. Stattdessen präsentierte sie eine Erzählung. Eine Geschichte über Handwerk, Herkunft, Identität. Anfangs war das fast schwer zu greifen, aber je tiefer wir einstiegen, desto deutlicher wurde: Sie erfüllt alle Kriterien. Kreativität, soziale Relevanz und eine Innovation, die darin besteht, sich konsequent außerhalb etablierter Systeme zu bewegen.
Erdende Fasern wie Baumwolle aus Uganda und Kenia, Sisal aus Tansania sowie Raffiabast und Jute aus Nigeria verleihen den Stücken eine beruhigende Kraft.
Wie wird Bubu Ogisi mit IAMISIGO die Modebranche verändern?
Buchanan: Schon durch ihre bloße Präsenz. Sie steht stellvertretend für viele kreative Menschen auf dem afrikanischen Kontinent, die Außergewöhnliches leisten, aber nur selten eine Bühne im globalen Kontext bekommen. Es gibt zwar Initiativen, die afrikanisches Design sichtbarer machen, aber kaum auf diesem Level. Was Bubu zeigt, ist nicht nur afrikanische Kreativität, sondern globale Relevanz.
Welche Rolle spielt Zalando dabei, diesen Talenten Sichtbarkeit zu geben?
Buchanan: Eine enorm wichtige. Die Modebranche wird von großen Playern dominiert, die nur wenig Raum für junge Kreative lassen. Ein eigenes Label aufzubauen ist teuer – von Produktion über Vertrieb bis Marketing. Selbst wenn man es in Stores schafft, wird man oft nur dekorativ platziert, bekommt kleine Budgets, kaum Aufmerksamkeit. Der Zalando Visionary Award bricht dieses Muster auf: Er bietet Sichtbarkeit, finanzielle und strukturelle Unterstützung – und er stellt die richtigen Fragen: Was bedeutet Innovation für dich? Wie willst du gesellschaftlich wirken? Wohin soll deine kreative Reise gehen?
Am Morgen nach der Show lud Zalando die Gäste zu einem Re-See der Kollektion von IAMISIGO ein, um einen vertieften Einblick in die Geschichte, die Handwerkskunst sowie die lokal bezogenen Materialien zu ermöglichen, aus denen die aufwendigen, handgewebten Designs gefertigt werden.
Was raten Sie jungen Designer:innen heute?
Buchanan: Wisst, für wen ihr gestaltet, wofür ihr steht und wie ihr eure Ideen finanzieren wollt. Es reicht nicht, schöne Stücke zu kreieren. Ihr müsst genauso kreativ sein in der Art, wie ihr eure Arbeit kommuniziert und wirtschaftlich tragfähig macht.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft dieser jungen Talente?
Buchanan: Dass mehr große Unternehmen in junge Kreative investieren. Früher gab es Beispiele wie Giorgio Armani, der jungen Designer:innen Präsentationsräume zur Verfügung stellte – solche Initiativen brauchen wir wieder. Jedes Jahr verlassen Tausende von kreativen Köpfen die Modeschulen. Viele finden keinen Job, manche gründen eigene Labels – doch ohne finanzielle und strukturelle Unterstützung ist das kaum nachhaltig.
Ein großartiges Beispiel war die letzte Berlin Fashion Week: so viel kreative Energie, viele unabhängige, oft von Frauen geführte Labels. Warum fließt nicht mehr Kapital in genau solche Szenen? Große Firmen haben Milliarden – gebt das Geld den Kids! Sie haben die Ideen, die Leidenschaft, die Visionen. Was ihnen fehlt, ist der Zugang zu Ressourcen. Wenn wir an die Zukunft der Mode glauben, müssen wir sie möglich machen.