"Ein Traum, der in Erfüllung geht"

Jungstar Ramos stiehlt Ronaldo die Show

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Der zum Joker degradierte Cristiano Ronaldo schrieb nach dem 6:1-Erfolg Portugals über die Schweiz im Achtelfinale der Fußball-WM von einem "unglaublichen Tag". Allerdings stand diesmal nicht er selbst im Mittelpunkt des Ereignisses, sondern der an seiner Stelle stürmende Goncalo Ramos.

Der Angreifer von Benfica Lissabon avancierte bei seinem ersten WM-Startelf-Einsatz mit einem Triplepack zum Matchwinner, nach dem Spiel sprach er von "einem Traum, der in Erfüllung gehe".

Für Ramos kam die Berufung in die Startelf wie wohl für die gesamte Fußball-Welt völlig überraschend. "Ich glaube, ich habe nicht einmal in meinen kühnsten Träumen daran gedacht, in der K.o.-Phase in der Startelf zu stehen", sagte der Youngster. Von Anlaufschwierigkeiten keine Spur, überzeugte der 21-jährige Angreifer durch Spielfreude, Kombinationsstärke und brutale Effizienz. Ramos erzielte nicht nur den ersten Triplepack bei dieser Weltmeisterschaft, sondern war auch der erste Profi seit WM-Rekordtorschütze Miroslav Klose, dem bei seinem WM-Startelfdebüt drei Tore gelangen.

Ramos auch im Ligabetrieb treffsicher

Völlig aus dem Nichts kam die brillante Vorstellung allerdings nicht. Ramos erlebte in dieser Saison auf Clubebene eine Leistungsexplosion, die Torschützliste der portugiesischen Liga führt er mit neun Treffern an. Die logische Folge war das Debüt in der A-Nationalmannschaft kurz vor der WM. Ob er auch im Viertelfinale spielen werde, wollte Ramos nicht vorhersagen. "Das entscheide nicht ich, das entscheiden andere."

Ronaldo ertrug seine ungewohnte und ungewollte Rolle als Ersatzspieler nach außen mit Fassung, rang sich sogar hier und da ein Lächeln ab. Nach Spielende umarmte der erst in der 74. Minute eingewechselte etatmäßige Kapitän kurz Matchwinner Ramos, ließ sich alleine von den Fans bejubeln und verschwand eilig in der Kabine. Anschließend schrieb Ronaldo auf Instagram von einem "unglaublichen Tag für Portugal und einem historischen Ergebnis." Für die junge Generation hatte er trotz persönlicher Enttäuschung warme Worte über. Die Auswahl habe hervorragende Talente und junge Spieler, man könne ihr dazu nur gratulieren.

Ronaldo-Dementi zu Al-Nassr-Transfer

Fast genau fünf Jahre nach dem Gewinn seines fünften und bisher letzten Ballon d'Or war die schmerzhafte Degradierung zugunsten des 16 Jahre jüngeren Ramos für Ronaldo der vorläufige Tiefpunkt. Bei Manchester United wurde er zuerst auf die Bank verbannt und dann aus dem Verein geworfen, die Suche nach einem neuen Club gestaltet sich schwierig. Einzig der saudische Club Al-Nassr scheint ernsthaftes Interesse zu haben, eine Einigung dementierte Ronaldo selbst.

Sportlich überzeugte der mehrmalige Weltfußballer bei dieser Endrunde kaum, zudem legte er sich mit Teamchef Fernando Santos an. Die Entscheidung, den Rekordtorschützen erstmals in einem Turnierspiel seit 2008 auf die Bank zu setzten, begründete der Trainer aber nur mit sportlichen Überlegungen. "Ich wähle die Spieler aus, die am besten zu meiner Strategie passen."

Ohne Ronaldo strotzte die portugiesische Selecao vor Spielfreude, wirkte wie befreit und fuhr einen hochverdienten Erfolg gegen schwache Schweizer ein. Neben Ramos überzeugte auch Altmeister Pepe, der durch seinen Kopfballtreffer mit 39 Jahren und 283 Tagen zum ältesten Torschützen in einem WM-K.o.-Spiel und zum zweitältesten Torschützen der WM-Geschichte aufstieg. Die weiteren Treffer an einem aus portugiesischer Sicht historischen Tag steuerten Linksverteidiger Raphael Guerreiro und der eingewechselte Rafael Leao bei. Nur bei den Weltmeisterschaften 1934 und 1938 hatte es überhaupt höhere Achtelfinal-Siege gegeben.

Startelfeinsatz von CR7 gegen Marokko noch offen

Im ersten Viertelfinale seit der WM 2006 treffen die Portugiesen am Samstag auf Marokko. Welche Rolle Ronaldo in diesem Spiel einnehmen wird, ließ Santos offen. "Das müssen wir sehen", sagte der 68-Jährige auf die Frage, ob für Rekordtorschütze Ronaldo nun ein neuer Abschnitt im Nationalteam beginne. "Ich habe eine sehr enge Beziehung zu ihm. Aber wir sind Trainer und Spieler. Ich habe ihm gesagt, dass er ein sehr wichtiger Spieler ist, das weiß er."

Zumindest an diesem Abend stahl der junge Ramos einem der wohl besten Fußballer aller Zeiten die Show. Die wichtige Rolle Ronaldos wollte der Youngster auch an dem bisher größten Tag seiner Karriere nicht unterschlagen. "Cristiano hat als Kapitän das gemacht, was er immer macht. Er hat uns geholfen, uns ermutigt, die gesamte Mannschaft", betonte Ramos.
 

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