Rad-Hoffnung im oe24-Interview

Felix Gall vor Tour-Debüt: 'Muss mich vor niemand verstecken'

Teilen

Felix Gall ist Österreichs größte Hoffnung bei der Tour de France.

Nach dem Etappensieg inklusive gelbem Führungstrikot bei der Tour de Suisse gilt Felix Gall vom französischen AG2R-Rennstall bei seinem Tour-de-France-Debüt (1. bis 23. Juli) als Geheimtipp für die eine oder andere Überraschung. Davor nahm sich der Osttiroler noch Zeit und sprach mit oe24:

oe24: Herr Gall, Ihr Durchbruch in der Schweiz wurde vom tödlichen Sturz von Gino Mäder überschattet. Bei Ihnen hatte man den Eindruck, Sie hätten auf der Abfahrt, auf der das Unglück passiere, mehr Tempo als andere herausgenommen …
Felix Gall: Diese Abfahrt war wirklich verdammt schnell und es war unglaublich, wie schnell Skjelmose (der spätere Sieger, d. Red.) von hinten angeschossen kam. Grundsätzlich musst du Vertrauen in deine Grenzen haben und darfst nicht zu viel nachdenken.

oe24: Fanden Sie es richtig, dass die Tour de Suisse zu Ende gefahren wurde?
Gall: Die meisten waren mit der Situation überfordert. Ich hab mir schwer getan, das richtig einzuordnen und damit umzugehen. Nach Rücksprache mit Ginos Familie hat man einen Kompromiss gefunden. Wir haben uns zwei Tage zurückgenommen, aber dann mussten wir wieder funktionieren. Es ist wie im Alltag: Wenn du jemanden verlierst, der dir nahe steht, machst du irgendwann auch weiter.

oe24: Und wie haben Sie jetzt den Fokus für die Tour gefunden?
Gall: Da haben mir vor allem Gespräche geholfen. Ich hatte auch Sitzungen bei einem Psychologen. Im Rennen muss man das ausblenden. Wie gut das gelingt, werde ich in den nächsten Tagen sehen.

oe24: Wie intensiv haben Sie sich mit den Abfahrten in der Tour de France überhaupt auseinandergesetzt?
Gall: Da wollte ich mich nicht verrückt machen und hab mir nur grob die ersten Etappen angeschaut. Die einzelnen Etappen werde ich von Tag zu Tag bei der Besprechung im Teambus unter die Lupe nehmen. Außerdem habe ich eh alles am Radcomputer und den Funk im Ohr.

»Ich wurde gefragt, wie es mir mit dem Jetlag geht«

oe24: Wie würden Sie die Bedeutung der Tour de France einem Außenstehenden erklären?
Gall: Die Tour ist mit Abstand das größte Rennen der Welt, da schickt jedes Team die besten Fahrer hin. Von der medialen Bedeutung und vom Werbewert her machen diese drei Wochen jetzt 60 Prozent vom ganzen Jahr aus. Wer eine Etappe bei der Tour gewinnt, der hat es quasi geschafft und gleichzeitig für das ganze Team die Saison gerettet.

oe24: Und was erwarten Sie von Ihrer ersten Tour?
Gall: Unser Kapitän ist Ben O’Connor, dem werde ich helfen, aber auch selbst auf die eine oder andere Etappen losgehen.

oe24: Ist der Gesamtsieg für AG2R ein Thema?
Gall: Der wird wieder über Pogacar und Vingegaard laufen, der Rest fährt um den dritten Platz. Aber bei der Tour de Suisse hab ich gemerkt, dass ich mich vor niemandem verstecken muss, das war schon wichtig für mein Selbstvertrauen. Und bei der Tour kann viel passieren. Vor allem die erste Woche ist geprägt von Stürzen …

oe24: … wie man auch in der aktuellen Netflix-Dokuserie sieht, als sich Ben O’Connor gleich zu Beginn verletzte und aufgeben musste.
Gall: Ja, leider. Das war in der dritten Folge. Weiter hab ich noch nicht geschaut.

oe24: Werden Sie als „Austrian“ eigentlich oft mit Ihrem australischen Teamkollegen in einen Topf geworfen?
Gall: Als ich vor eineinhalb Jahren zum ersten Mal nach Frankreich zum Team gekommen bin, wurde ich gefragt, wie es mir mit dem Jetlag geht. Inzwischen wissen alle, dass Austria ziemlich weit weg von Australien ist.

Fehler im Artikel gefunden? Jetzt melden.