Wilder Träumer

Designer-Talk: Jeremy Scott über seine neue Kostümshow in Berlin

Blinded by Delight – geblendet vor Entzücken soll das Publikum der neuen Grand Show in Berlin sein. Für ein bombastisch-buntes Kostüm-Feuerwerk sorgt niemand Geringerer als Jeremy Scott. Der Star-Designer im MADONNA-Interview. 

Träume sind der Anfang jeder Veränderung. Luci ist derart ergriffen vom Glück ihrer Träume und ihren romantischen Gefühlen, dass sie sich fragt, ob das alles wahr sein kann ... so der Plot der Grand Show „Blinded by Delight“, die nun im Berliner Friedrichstadt-Palast Premiere feierte und das Publikum mit rund 100 Künstler:innen in über 500 prachtvollen Kostümen in ihren Bann zieht. US-Star-Designer, Künstler und ehemaliger Moschino-Kreativdirektor Jeremy Scott (50) zeichnet für das Fashion-Feuerwerk verantwortlich. Mit MADONNA sprach er über seine Inspiration.  

Blinded-by-Delight-Produzent Berndt Schmidt, Kostüm-Designer Jeremy Scott und Regisseur und Autor Oliver Hoppmann. 

Blinded-by-Delight-Produzent Berndt Schmidt, Kostüm-Designer Jeremy Scott und Regisseur und Autor Oliver Hoppmann. 

© Markus Nass/Friedrichstadt-Palast

576 Kreationen in nur einem Jahr 

Blinded by Delight – ein Show- und Fashion-Feuerwerk! Wie kam es dazu, dass Sie Teil dieses Projektes, das vor wenigen Tagen in Berlin Premiere feierte, wurden?
Jeremy Scott: Das Drehbuch stammt von Regisseur Oliver Hoppmann. Er sagte, er sei sehr von meiner Arbeit inspiriert gewesen – von den Gefühlen und der Traumwelt, die ich mit meinen Designs erschaffe. Er war überzeugt, dass nur ich die Kostüme gestalten könnte, und kam sogar nach Los Angeles, um mir seine Ideen und das Drehbuch zu präsentieren. Er erklärte mir die Figuren, die Emotionen und den Handlungsbogen. Seine Leidenschaft war ansteckend, und so habe ich zugesagt. Es war eine wunderschöne und aufregende Reise, und ich habe mich sehr darauf gefreut, das Ergebnis mit der Welt zu teilen.

Wie viele Kostüme haben Sie kreiert und wie lange haben Sie daran gearbeitet?
Scott: Die letzte Zahl, die ich gehört habe, war: 576. Ich habe irgendwann aufgehört zu zählen. (lacht) Wir haben etwas über ein Jahr daran gearbeitet. Da sich die Geschichte entwickelte, mussten auch die Kostüme teilweise immer wieder an die Story angepasst werden. Das Ganze war ein sehr schöner Prozess.

Große Emotionen spielen die Hauptrolle in dieser Show. Welche Gefühle wollen Sie dem Publikum konkret mitgeben?
Scott: Vor allem Magie und Freude. Natürlich gibt es auch schwierige Momente für unsere Heldin Luci, aber am Ende überwiegen Schönheit, Glück und Hoffnung. Ich wünsche mir auf jeden Fall, dass die Menschen mit einem Lächeln im Gesicht nach Hause gehen.

Eine Tür
zu einer Traumwelt wollte Jeremy Scott mit seinen Showkostümen öffnen.  

Eine Tür
zu einer Traumwelt wollte Jeremy Scott mit seinen Showkostümen öffnen.  

© Markus Nass/Friedrichstadt-Palast

"An eine bessere Zukunft zu glauben, ist zeitlos..."

Spielt „Blinded by Delight“ in unserer Zeit oder eher in einer anderen, vielleicht schöneren Epoche?
Scott: Die Idee, an Träumen festzuhalten und an eine bessere Zukunft zu glauben, ist zeitlos. Sie war früher wichtig, ist es heute und wird es auch in Zukunft sein.  

In Ihrer Arbeit verschwimmen die Grenzen zwischen Mode und Kunst. War die Show für Sie anders als Ihre üblichen Arbeiten?
Scott: In gewisser Weise ja, aber visuell ist es ähnlich. Der Unterschied liegt darin, dass ich mit einem Drehbuch, Schauspielern und Tänzern arbeite. Ihre Arbeit bringt bestimmte Einschränkungen mit sich – das unterscheidet es von einer reinen Modenschau. Aber das Publikum wird den künstlerisch-modischen Aspekt meiner Arbeit wiedererkennen.

Haben Sie einige Kostüme vielleicht sogar für künftige Kollektionen inspiriert?
Scott: Alles, was ich kreiere, inspiriert mich. Vergangenes fließt in neue Arbeiten ein, und auch diese Show wird bestimmt Teil meiner künftigen Inspiration sein.

In Blinded by Delight dreht sich alles um das Glück. Was macht Sie persönlich glücklich?
Scott: Persönlich macht es mich sehr glücklich, meine Arbeit machen und sie mit Menschen teilen zu können – und hoffentlich durch meine Arbeit Freude zu schenken. Wenn meine Kreationen Teil ihrer Erfahrungen, ihres Lebens werden und vielleicht ein kleines Stück Freude in ihnen entfachen, dann ist das für mich ein gelungenes Werk.

Im Berliner Friedrichstadt-Palast läuft die Show mit Traumkostümen von Jeremy Scott. 

Im Berliner Friedrichstadt-Palast läuft die Show mit Traumkostümen von Jeremy Scott. 

© Markus Nass/Friedrichstadt-Palast

"Ich habe noch viele Träume..." 

Stichwort Traumwelt. Welche Träume hatten Sie am Anfang Ihrer Karriere und sind diese wahr geworden?
Scott: Ja. Mein Traum war immer, meine Arbeit mit einem großen Publikum zu teilen. Diese Möglichkeit habe ich jetzt erneut – diesmal im Theater. Das ist ein großes Geschenk.

Und welche Träume haben Sie heute noch?
Scott: Oh, viele – das war hoffentlich alles erst der Anfang! (lacht) Ich bin noch jung und habe noch vieles zu tun und einiges vor.

Was macht Sie in der Realität, in der wir derzeit alle leben, traurig?
Scott: Tod, Zerstörung, fehlendes Mitgefühl. Es ist traurig, wenn Menschen kalt und grausam sind. Wir sollten uns daran erinnern, dass wir alle Menschen sind – egal welche Religion, Herkunft, Hautfarbe oder Geschlechtsidentität.

Würden Sie sich manchmal wünschen, in einer anderen Zeit zu leben – etwa in den wilden, glamourösen 1970er-Jahren?
Scott: Um ganz ehrlich zu sein: Nein, ich habe mir nie wirklich gewünscht, in einer anderen Epoche zu leben. Natürlich bin ich von der Vergangenheit fasziniert, neugierig und würde gerne wissen, wie es sich damals angefühlt hat – es wäre spannend, in eine diese Zeitperioden zurückversetzt zu werden. Aber gleichzeitig bin ich zufrieden damit, in diesem Leben und in dieser Zeit zu sein. Wie alle anderen auch möchte ich einfach versuchen, diese Gegenwart ein Stück besser zu machen.

Der Star-Designer mit Gigi Hadid. 

Der Star-Designer mit Gigi Hadid. 

© Getty

"Wir erleben eine Phase massiver Umbrüche..."

Vor kurzem ist Giorgio Armani verstorben. Wie verändert das die Modewelt, wer sind die nächsten Könige oder Königinnen der Fashionszene?
Scott: Giorgio hatte eine großartige, lange Karriere – Chapeau, Mister Armani! Er konnte seine Kollektionen und seine Arbeit bis ins hohe Alter fortsetzen und dabei nicht nur als Designer, sondern auch als Geschäftsmann enorme ­Erfolge feiern. Wenn ich mich richtig erinnere, besaß er den größten Teil seines Unternehmens selbst – ein mutiger Schritt. Er hat seinen Namen zu einem Synonym für ein Lebensgefühl gemacht, das weit über Kleidung hinausgeht.

Und genau das sollten große Designer schaffen: eine Welt kreieren, die man spüren, riechen, wahrnehmen kann – auch wenn man vielleicht kein einziges Kleidungsstück dieses Designers besitzt. Wer die nächste große Persönlichkeit der Mode sein wird – da bin ich nicht die richtige Person, das zu beurteilen. Wir erleben gerade eine Phase massiver Umbrüche – nicht nur in der Mode, sondern auch in Politik, Wirtschaft und Geopolitik. Vieles fühlt sich überwältigend an.

Aber es sind immer diejenigen, die den Moment erfassen und ihn in Kleidung, Looks und Gefühle übersetzen, die eine Epoche wirklich prägen. Wer das in Zukunft sein wird, bleibt spannend zu beobachten.

Spielt Künstliche Intelligenz inzwischen eine Rolle in Ihrer Arbeit?
Scott: Im Moment eigentlich nicht wirklich. Ich habe ein wenig damit herumgespielt, aber nicht intensiv erforscht. Ich habe weder Angst davor noch umarme ich es enthusiastisch – ich sehe das eher neutral.

Abschließend: Wann waren Sie selbst zuletzt „blinded by delight“, sprich vor Begeisterung geblendet?Scott: Während der Generalprobe der Eröffnungsszene der Show! Als ich die Tänzer:innen zum ersten Mal in den Kostümen sah und den Probelauf der Eröffnung mitverfolgen konnte, war ich so überwältigt, dass mir vor Glück die Tränen kamen.

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